Recht & Steuern

Belgische Rechtsprechung schränkt Steuervorteil ein

11.12.2019

Der belgische Kassationshof bestätigte die Praxis der Steuerbehörde.

Unternehmensbesteuerung: Der belgische Kassationshof bestätigte die Praxis der Steuerbehörde, die in den letzten Jahren die Verrechnungspreise bzw. die Preise, die zwischen verbundenen Unternehmen praktiziert werden, kontrollierte. Diese müssen sich stets an Marktkonditionen („at arm’s length“) orientieren, d.h. sie haben den Preisen zu entsprechen, die im Normalfall zwischen nicht verbundenen Parteien bestehen.

Der Kassationshof gelangte in einem wichtigen Urteil (24.5.2019) zu dem Schluss, dass ein Vorteil infolge einer Transaktion, die einzig aus steuerlichen Motiven und ohne jegliche wirtschaftliche Basis erfolgt, als „anormal“ im Sinne von Artikel 207 WIB92 (Einkommensteuergesetzbuch) zu betrachten ist, und zwar auch dann, wenn sie gemäß Marktkonditionen erfolgt. Der Betrag derartiger Vorteile darf vom Unternehmen nicht steuerlich geltend gemacht werden. Hierdurch macht der Kassationshof aus Artikel 207 eine Anti-Missbrauchs-Klausel, die die wirtschaftliche Realität eines Unternehmens ins Zentrum stellt.

Ein sachkundiger Unternehmer ist Gold wert

Das Fazit fällt deutlich aus: Wer als Steuerpflichtiger beruhigt schlafen möchte, beschränkt sich auf Transaktionen mit wichtiger wirtschaftlicher Zielsetzung. Ist das Kriterium der wirtschaftlichen Zielsetzung nachgeordnet und einer der Hauptgründe im steuerlichen Bereich anzusiedeln, stehen der belgischen Steuerbehörde mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, um derartige Transaktionen zu korrigieren und der Steuer zu unterwerfen. Es liegt auf der Hand, dass künftig nur die „rulingcommissie“ (Behörde für Steuerverwaltungsvorabentscheidungen) mehr Arbeit bekommen wird.

Verbot des fiktiven Zinsabzugs

Konkret urteilte der Kassationshof, dass die Behörde den fiktiven Zinsabzug bei einem Unternehmen, das sich einzig aufgrund der Nutzung dieser Regelung in Belgien niedergelassen hat, zurückweisen kann. Durch das Verbot dieses Abzugs wird das Unternehmen für den erhaltenen Vorteil besteuert. Das Verbot des Abzugs gilt in diesem Zusammenhang auch für bestimmte weitere steuerliche Abzüge, wie den Abzug für ausländische Direktinvestitionen, den Abzug für Innovation, den Gruppenbeitrag usw. Die Anwendung von Artikel 207 WIB92 ist umstritten, seit die Regierung aufgrund der Senkung der Körperschaftssteuer 2002 eine strengere Anwendung beschloss. Auf diese Weise wurde die behördliche Toleranz für aus dem Ausland erhaltene anormale Vorteile vermindert. Demgemäß kann es sich beim Gewährer des Vorteils auch um ein ausländisches Unternehmen handeln. Gegenstand von Kommentaren war insbesondere die Tragweite des Konzepts „anormale oder wohlwollende Vorteile“. Der Begriff „anormal“ scheint ständig weitläufiger ausgelegt zu werden.

Praxisfall einer finnischen Holding

In diesem Fall zielte die Behörde auf Strukturen ab, bei denen eine Kapitaleinlage in einer belgischen Gesellschaft besteht, ohne dass es zu umfangreichen Aktivitäten oder der Einstellung von Mitarbeitern kommt. Im Beispiel wickelte eine finnische Holding über ihre schwedische Tochter eine Übernahme in Russland ab, leitete die Finanzierung jedoch über eine belgische Gesellschaft um. Durch umfassende Kapitalerhöhungen erhöhte sich die Basis für den fiktiven Zinsabzug seitens der belgischen Gesellschaft. Hierdurch war es möglich, den fiktiven Zinsabzug auf die erhaltenen Zinsen anzuwenden. Der Behörde zufolge erhielt die Gesellschaft diese Zinsen nicht unter normalen wirtschaftlichen Umständen, sondern lediglich mit Blick auf den fiktiven Zinsabzug. Das zugrunde liegende Konstrukt betrachtet sie dabei ohne Wenn und Aber als künstlich.

Kassationshof gibt Fiskus Recht

Obwohl der zugrunde gelegte Zinsfuß marktkonform war, betrachtet die Behörde die erhaltenen Zinsen als anormalen Vorteil und damit als Mindestbesteuerungsgrundlage. Damit bekommt der Fiskus nun recht. Der Kassationshof bestätigte, dass das Konzept der „anormalen und wohlwollenden Vorteile“ eine umfangreichere Tragweite besitzt als Vorteile, bei denen eine direkte Gegenleistung fehlt oder die Gegenleistung nicht die Anforderungen in Bezug auf normale Marktkonditionen erfüllt. Das Konzept schließt auch Vorteile ein, die unter anormalen Umständen im Rahmen von Vorgängen gewährt wurden, die nicht auf wirtschaftlichen, sondern lediglich auf steuerlichen Zwecken basieren. Dem Kassationshof zufolge, stützten sich die Richter im Berufungsverfahren auf die unrichtige Auffassung, das Konzept „anormale und wohlwollende Vorteile“ sei im Rahmen des Abzugs für Risikokapital streng auszulegen, ohne einen allzu breiten Kontext in Betracht zu ziehen. Im Gegenteil, bei der Frage, ob die erhaltenen Zinsen anormale Vorteile darstellen oder nicht, muss der breitere Kontext berücksichtigt werden.

Internationaler Trend

Das Urteil des Kassationshofs entspricht dem internationalen Trend. Will ein Unternehmen nach einer Umstrukturierung oder einer konzerninternen Transaktion Verluste und andere Abzüge mit Gewinnen zu Marktkonditionen kompensieren, hat es ebenfalls sicherzustellen, dass die gesamte Transaktion der wirtschaftlichen Realität Rechnung trägt und auf einem vertretbaren steuerlichen Zweck basiert. Diese Entwicklung ist auch auf internationaler Ebene zu beobachten. So urteilte der Gerichtshof der Europäischen Union (26.2.2019), dass das Verbot des Rechtsmissbrauchs zu den allgemeinen EU-Rechtsgrundsätzen gehört und von den Mitgliedstaaten zu bekämpfen ist.

Kontakt: Peter Van Rompaey, RSM Belgium, E-Mail

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