Interview
Pressemitteilung

Deutsche Kurzarbeitsregel lässt belgische Firmen leer ausgehen

30.10.2020

Marc Van Audekerke, Geschäftsführer Köln der AHK debelux, gibt einen Einblick in die Entwicklung der belgischen und luxemburgischen KMU am deutschen Markt.

Die Corona-Pandemie hat vieles verändert, nicht nur im privaten Leben, sondern auch geschäftlich. Als Handelskammer erfährt AHK debelux aus erster Hand, wie die Pandemie Unternehmen beeinträchtigt. Mit unseren Dienstleistungen und Beratungen sind wir täglich in Kontakt mit Firmen der verschiedensten Branchen aus den drei Ländern Deutschland, Belgien und Luxemburg.

In einer Interviewreihe beleuchten wir die Auswirkungen der Pandemie sowohl auf unsere Service-Angebot als auch auf die Bedürfnisse der Unternehmen. Marc Van Audekerke, Geschäftsführer Köln der AHK debelux, gibt einen Einblick in die Entwicklung der belgischen und luxemburgischen KMU am deutschen Markt. Ohne Möglichkeit auf Kurzarbeitergeld müssen einige von Ihnen die Segel streichen.

Herr Van Audekerke, was bietet AHK debelux in Köln seinen Mitgliedern und Kunden?

Wir bieten von der Firmenrepräsentanz und Firmengründung bis hin zu Personaldienstleistungen wie Lohnbuchhaltung und Personalvermittlung ein Rund-um-Paket. Wichtigste Dienstleistung ist noch immer die Gehalts- und Lohnbuchhaltung. Belgische und luxemburgische Firmen, oftmals ohne Niederlassung in Deutschland, aber mit eigenem Personal vor Ort, können sich von A bis Z auf uns verlassen bei allen notwendigen steuer-, sozialversicherungsrechtlichen und behördlichen Formalitäten.

Wie hat die Corona-Krise auf diesen Service ausgewirkt?

Im April 2020 kam im Bereich der Gehalts- und Lohnbuchhaltung die Beantragung des Kurzarbeitergelds hinzu. Von unseren rund 100 Kunden machen wir das momentan für ca. zehn Firmen und insgesamt rund 45 Mitarbeiter. Es handelt sich hierbei um belgische Firmen, die eine eigene Niederlassung (GmbH), in Deutschland haben.

Ein Zehntel - das ist nicht viel angesichts der Krisenlage …

Leider ist eine große Anzahl belgischer Firmen, die sich bei uns nach den Möglichkeiten der Kurzarbeit für ihre Mitarbeiter in Deutschland informiert hatten, komplett leer ausgegangen. Diese Problematik ist zurückzuführen auf die deutsche Gesetzeslage, wonach Kurzarbeitergeld nur Unternehmen gewährt werden kann, die in Deutschland einen eigenen Betriebssitz – GmbH oder Zweigniederlassung – unterhalten.

Deutschlands Nachbarländer wie Belgien, die Niederlande und Frankreich handhaben das anders: hier können deutsche Unternehmen, ohne eigenen Betriebssitz, die dort sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter beschäftigen, Kurzarbeitergeld beantragen.

Gibt es keine EU-weite Regelung für das Kurzarbeitergeld?

Nein. Leider haben wir feststellen müssen, dass es in diesem Bereich der Sozialgesetzgebung noch immer Unterschiede gibt zwischen den einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Das finde ich unglücklich und bedauerlich.
AHK debelux hat dieses Thema bei den zuständigen Stellen in Berlin angesprochen. Auch seitens unserer Partnerorganisation in Belgien, Belgian Chambers, wurden Gespräche geführt mit europäischen Abgeordneten in Brüssel um auf diese Problematik der unterschiedlichen Handhabung hinzuweisen. Leider blieb dies alles ohne Erfolg.

Was machen dann Firmen, die keine Möglichkeit auf Kurzarbeit haben?

Wir betreuen viele langjährige Kunden, die bereits sehr lange in Deutschland mit eigenem Personal aktiv sind. Zum Ende September waren das 106 Firmen, für die wir die Lohnbuchhaltung übernommen haben, d. h. wir erledigten für 363 Angestellte die Gehaltsabrechnungen. Das erste Mal seit mehr als zehn Jahren mussten wir einen Rückgang der Kunden feststellen. Im Laufe der ersten neun Monate 2020 sind insgesamt 14 Firmen ausgeschieden. Zudem stellen wir insbesondere bei Neukunden eine sehr hohe Fluktuation fest. Firmen, die neue Mitarbeiter im Verlauf des letzten oder dieses Jahres neu eingestellt haben, mussten diese bereits wieder kündigen. Grund hierfür ist mit Sicherheit die aktuelle Wirtschaftslage, aber eben auch die Tatsache, dass die Beantragung von Kurzarbeit abgelehnt wurde, hat bei mehreren Unternehmen leider zu Personalabbau und Kündigungen geführt.

Sind belgische und luxemburgische Unternehmen zurückhaltender mit dem Markteintritt in Deutschland?

Im ersten Quartal 2020, also noch vor der Corona-Krise, gab es speziell im Bereich der Personalvermittlung und für die Unterstützung bei einer Firmengründung in Deutschland konkrete Anfragen aus Belgien.

Bei der Personalvermittlung bieten wir z.B. Unternehmen einen Rundum-Service an - von der Stellenanzeige bis hin zum Auswahlprozess. Hier hatten wir in diesem Jahr einen starken Einbruch. Die Einnahmen sind hierfür um das zehnfache geschrumpft. Die Firmen sind also mittlerweile sehr zurückhaltend, neues Personal in Deutschland einzustellen.
Zudem unterstützen wir belgische und luxemburgische Firmen bei der Firmengründung in Deutschland. Auch hier haben wir im ersten Quartal 2020 noch mehrere Anfragen erhalten. Die Firmen haben jedoch aufgrund der aktuellen Geschäftslage in der Corona-Krise ihre Entscheidung, eine eigene GmbH in Deutschland zu gründen, vorerst bis auf weiteres zurückgestellt. Auch aus der Firmenrepräsentanz, d. h. eine Korrespondenzadresse bei debelux in Köln und Präsenz auf dem deutschen Markt, haben sich Kunden zurückgezogen bzw. ihre GmbH hier aufgelöst.

Wird sich das im vierten Quartal 2020 bzw. 2021 bessern?

Der Informationsbedarf bei Unternehmen ist weiterhin sehr hoch. Trotz der rückläufigen Entwicklung in den ersten neun Monaten dieses Jahres stellen wir zurzeit eine stabile bzw. leicht zunehmende Nachfrage nach unserer Lohn- und Gehaltsbuchhaltung fest. Wir hoffen, dass sich dieser Trend im letzten Quartal und insbesondere im kommenden Jahr fortsetzt. Im Oktober haben wir auch Kunden für die Firmenrepräsentanz hinzugewinnen können. Das macht uns für die nahe Zukunft zuversichtlich und wir hoffen auf ein gutes Jahr 2021.
Positiv können wir festhalten: Unsere Einnahmen bleiben 2020 bisher relativ stabil im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und wir können unseren Mitgliedern weiter einen Rund-um-Service dicht an ihrer Seite garantieren.

Danke, Herr Van Audekerke, für das Gespräch.

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